Montag, 1. September 2014

Joujou de Normandie (1791)

Den Monat September und den nahenden Herbst möchte ich spielerisch angehen.
Und was liegt bei dem buchstäblichen Auf und Ab des Sommerwetters näher, als eine genauere Betrachtung des Jojo oder wie es um 1791 bei seiner Einführung in Europa genannt wurde: Joujou.
Erstmals Erwähnung findet es im Weimarer Journal des Luxus und der Moden 
in einem kurzen Bericht über Mode Neuigkeiten aus England vom Oktober 1791, 
nebst Modekupfer einer joujou - begeisterten Dame.
I like to approach the September and the anticipating autumn quite playful.
What's more appropriate with this literally up and down of summer weather, than taking a close look on the yoyo or more likely by it's name when it was introduced in 1791 to Europe: joujou.
It's first mentioned in the weimarian Journal des Luxus und der Moden 
in a short report about the latest English fashion news of October 1791,
next to a fashion plate of a lady, quite fond of the joujou.
Oktober 1791 [Kupfertaf. 30]: Junge Pariser Dame in einer Parüre-Kleidung, von neuester Mode, mit einem Fächer à la Montmedy, und einem Joujou de Normandie.

Der Erfolg des "Spielzeugs" war derart überragend, 
dass sogar der Herausgeber F.J. Bertuch noch zwei weitere Berichte in den kommenden Monaten folgen ließ.
Besonders ausführlich widmet er sich dem Joujou de Normandie in der Ausgabe des 
Journals vom Januar 1792.
Hier wird nicht nur die Herkunft des Spielzeugs erläutert, sondern auch eine Anleitung zum Bau des selbigen gegeben.
Zunächst werfen wir einen Blick auf die Geschichte des Joujous, das nicht nur Kinderherzen höher schlagen lässt, sondern auch Erwachsene zu begeistern weiß, indem es sich "...der großen Welt zum Zeitvertreibe des müßigen Augenblicks empfiehlt, sowohl auf der Toilette der Damen von Bon=ton, als auch sogar auf dem Schreibtische des Staats Geschäfts=mannes sich erobert..." (Quelle: Journal des Luxus und der Moden, Januar 1792)
The success of the "toy" was so phenomenal, that the publisher of the journal F.J.Bertuch did two follow ups in his magazine.
He himself wrote a detailed record of the joujou de Normandie in the January issue of 1792.
There he did not only paid attention to the origin of the toy, but also gave a tutorial how to assemble one.
First we'll have a look on the history of the joujou, 
which did not only win the children's hearts, 
but also inspired the adults by "...recommending itself to the world as a pastime for the idle moments, for the ladies of bon=ton as well as on the desks of the governments businessman..."

Laut F.J. Bertuch stammt das Spielzeug ursprünglich aus Ostindien (Bengalen), wo es unter dem Namen Bandelira zum Amüsement einer Prinzessin erfunden worden ist.
Zu Beginn des Jahres 1791 kam es von Indien nach England in die Hände des Prinzen von Wales, der es Lady Fitzherbert schenkte.
According to F.J. Bertuch the toy primarily was invented in East India, where it served a princess for entertainment. It was called bandelure.
Early in 1791 it came from India to England, right into the hands of the Prince of Wales, who gave it to Lady Fitzherbert.
1791 Satire print by James Gillray (?)
(Quelle/source: British Museum Collection)

Zu seiner Verbreitung in Deutschland weiß Bertuch zu berichten, 
"...Von London kam es vermutlich durch die Normandie zuerst nach Flandern in die Niederlande, und nach Holland, wo man seine Abkunft und rechten Namen nicht wusste und es also nach der Provinz woher es kam, Joujou de Normandie, nannte. Durch junge Engländer wurde es im vorigen Sommer (1791) an verschiedene Ort in Teutschland gebracht, und sonderlich zuerst in den Bädern, Spaa, Aachen, Pyrmont und Carlsbad bekannt." (Quelle: Journal des Luxus und der Moden, Januar 1792 )
Bertuch explained how it finally spread to Germany,
"...From London it probably came to Flandern and the Netherlands via the Normandy, where the term bandelure wasn't known, hence it was called joujou de Normandy. Young Englishmen brought it to different places in Germany past summer (1791), first to the baths in Spaa, Aachen, Pyrmont and Carlsbad."

 Louis Charles of France, Elisabeth Vigée Lebrun (?)
said to be painted in 1789, but more likely in 1791
(Quelle/source: The Athenaeum)

Gefertigt wurden das Spielzeug zumeist aus Holz, wobei Nußbaum und Mahagoni bevorzugte Hölzer waren. Die Joujous bestanden aber auch aus Silber oder Elfenbein (mit Gold garniert) und das der Mme Bouffon war gar mit Brillianten besetzt und kostete 2400 Livres.
Glücklicherweise hat uns Bertuch eine Kupfertafel und eine ausführliche Anleitung zum Bau des Spielzeugs hinterlassen.
The toy was made preferably of wood, walnut and mahogany were favoured most.
The joujous were also made of silver or ivory (adorned with gold) and that of Mme Bouffon was even embellished with diamonds and costed 2400 Livres.
Luckily Bertuch has left us an engraving and a thorough construction of the toy.
Januar 1792, Fig.1 und Fig.2 Joujou de Normandie

Das Joujou besteht aus zwei hölzernen Scheiben, die etwa 3 1/4 Pariser Zoll (1 Pariser Zoll = 2.7 Zentimter) im Durchmesser haben. Sie stehen eine Pariser Linie (= 0.23 Zentimeter) voneinander ab und werden an eine Achse mit einem Durchmeser von 1 Pariser Zoll angeschraubt.
The joujou is made of two wooden circles, which measure approx. 3 1/4 Parisian Inch (1 parisian inch = 1 inch) in diameter. They are set 1 Parisian Line (= 0.23 centimetre) apart and are fixed to an axis, which has a diametre of 1 inch.

Leider hatte ich keine passende Schlitzschraube zur Hand, aber da sie ohnehin nicht sichtbar ist, habe ich den kleinen Fauxpas in Kauf genommen.
Zum Einsatz kam ebenfalls Leim, um die gedrechselten Scheiben aufzuleimen.
Unfortunately I didn't have an authentic screw at hand, but as the screw remains invisible I accepted the fauxpas. I also used bone glue, to add the shaped pieces onto the ones with mahagony veneer.

Zunächst hatte ich den genauen Gewichtsausgleich beider Hälften, sowie die Pariser Linie nicht ausreichend beachtet. Die Verbindungsscheibe war in höherer Stärke zugesägt, was darin resultierte, dass das Joujou nur zu Boden fiel. Da ich das Holz nicht so dünn zusägen konnte, entschied ich mich für eine Metallscheibe von 0.25 Zentimeter Stärke.
First I did not paid too much attention to the exact same weight of both halves, and the measure of the Parisian line. The axis was bigger, which lead to a joujou, that just ploppd to the floor. As I couldn't get the wooden axis that thin, I decided on a metal axis of 0.25 centimetre.

Nach einigem Leimablösen und Fluchen war es dann aber soweit:
ein Joujou de Normandie in Buche und Mahagonifurnier.
After some scratching off glue and cursing, I eventually had it:
a joujou de Normandie made of beechwood and mahogany veneer.
Die Oberfläche wurde lediglich dünn gewachst
The surface has been waxed thinly

Ich war erpicht darauf Bertuchs beinah schon wissenschaftlicher Anleitung zum Spiel zu folgen, die mit folgenden mahnenden Worten endete:
"...ist der Spieler geschickt, so muß das hinausgelaufene Joujou zur Hand, die es wieder fasst und aufnimmt, zurückkommen; ist er ungeschickt, so bleibt das Joujou hängen und kommt nicht zurück."
I was eager to follow Bertuch's almost scientific tutorial to handle the toy, which ends in this reminder:
"...is the player skilled, the joujou will return back on the thread, to catch it with the hand; is the player clumsy, the joujou won't return back."

Und schon geht's los! 
Das Baumwollband des Joujou wird in einer Schlaufe um den Mittelfinger befestigt, um das Spielzeug elegant abzurollen...
And here we go!
The cotton thread of the joujou is fastened with a backstrap to the middlefinger, to elegantly scroll the toy downwards...
...es rollt herab...und klettert nur mäßig wieder hinauf, ehe es am Boden liegenbleibt. Plopp! Da hilft auch kein Zupfen am Baumwollband...
...it srolls down...but climbed only back up a tiny wee bit, until it fell to the ground. Plopp! Plucking at the cotton ribbon doesn't help either...
...hmpf! Lieber Friedrich Justin Bertuch, ich bin wohl das, was man ungeschickt nennt.
Aber bekanntlich macht Übung den Meister...nicht nur beim Joujouspielen, sondern auch beim Nähen.
In diesem Sinne!
...oh well! Dear Mr Bertuch, I suppose, I am what you called clumsy.
But as we all know practice makes perfect...not only at the joujou, but also with sewing.
In this spirit!

7 Kommentare:

  1. itst aber auch wenns nicht richtig klettert echt mal toll geworden!
    daumen hoch

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    1. Dankeschön...und vielleicht klettert es ja doch irgendwann noch ;)

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  2. Ich kann mich Sonja nahtlos anschließen: Daumen hoch und herzlichen Dank für einen ebenso interessanten wie höchst amüsant bebilderten Bericht!

    Liebe Grüße und viel Freude beim Üben ^^

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  3. Meine Liebe,
    wer wird denn hier aufgrund von Spielereien die Führung des Haushalts vernachlässigen? ;-)
    Aber ein feines Joujou hast Du Dir gebaut, Kompliment!
    Viel Spaß beim Üben wünscht
    Emily

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    1. ...das bisschen Haushalt...
      Nachdem das auf's Gramm genaue Zusammensetzen dann endlich gelungen ist, war's doch enttäuschend meine Talentlosigkeit in Sachen Joujou derart schonungslos zu erfahren...lol...

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